Ein weiteres Review-Special, diesmal der knappen Zeit und den vielen Veröffentlichungen geschuldet, die naber nicht weniger Gehör finden sollen und entsprechend gewürdigt werden wollen. Im Mittelpunkt des Interesses stehen diesmal die Ein-Mann-Projekte: Alle drei folgenden Vertreter sind Solo-Künstler, Singer/Songwriter und aus Deutschland - und dabei doch so herrlich verschieden.
Den Anfang macht Nachlader, eben ein Ein-Mann-Projekt aus Berlin, das mit „Koma Baby Lebt“ (Boing Boing Records) zwar eine Schneise durch ein Dickicht aus verschiedensten Musikstilen schlägt, aber dennoch treffend die Atmosphäre des typisch-ambivalenten Hauptstadt-Lebensgefühls transportiert: In 80er Jahre Elektro-Reminiszenzen als Basis, ein bisschen Rock als Ventil und obendrein Großstadt-Blues fürs Gefühl. Das Ganze verpackt in Singer/Songwriter-Manier und trefflich garniert mit intelligenten Texten, die irgendwo im Spannungsfeld zwischen Ironie und Wirklichkeit, Reflektion und Ignoranz, Anspruch und Abrechnung, aber immer ein wahres Fest sind. Und nicht zuletzt die persönliche Note des pointierten Witzes bei gleichzeitig wurschtiger Allgemein-Attitüde machen Daniel Baumann und sein zweites Album „Koma Baby Lebt“ unglaublich charmant, wenn auch etwas heterogen und sperrig - ist aber eben auch ganz das Großstadt-Thema.
Genauso charmant bis zuweilen brüllend komisch ist Blockflöte Des Todes mit dem Werk – und jetzt kommt´s dicke - „Wenn Blicke Flöten Könnten“ (Wannsee Records). Wer ob des Namen-Gruselkabinetts jetzt erstmal pure Albernheit erwartet, der wird wohl erstmal enttäuscht sein - aber dafür gleichzeitig auch überrascht: Denn was Singer/Songwriter Matthias Schrei hier abliefert ist nur bedingt ein Produkt präpubertär-ulkigen Dadaismus. Sicher fangen einige Textzeilen erst da an, wo Die Ärzte aufhören und Olli Schulz den Mut verliert, aber gleichzeitig sind die Songs von so nüchterner Komik, Geradheit und Prägnanz, dass sie die Hörer staunend und gequält-grinsend zugleich zurücklassen. Abstruse Themen, kaputte Typen, krude Geschichten erzählt Schrei so en-passant und nimmt dabei alles und nichts auf den Arm. Zwischen dem sophisticated-korrekten Songwriter und der verschroben-genialen Kaputtheit liegen eben Songs wie „Du Bist So Schön Wie Ein Flughafen“. Ein abgefahrenes, nicht erwartetes Werk, das man trotz allem ernst nehmen sollte.
Von einem ganz anderen Schlag ist dagegen Uli Tsitsos, der unter dem Namen The Apocalyptic Troubadour auf Solo-Pfaden wandert. Nach dem Split von Hutpferdemänner und Projekten wie The Elefant Circus macht es sich der Nürnberg Singer/Songwriter mit seinem Debütalbum „17“ (Apocalyptic Productions) auf dem breiten Soundteppich des Urban Folk gemütlich. Schon die selbstbetitelte EP aus 2008 machte klar, dass hier Großes im kleinen Lo-Fi-Korsett entsteht: Mit dezentem Elektro- und Gitarrensound schafft The Apocalyptic Troubadour eine heimelnde Atmosphäre aus melodramatischem Folk, ehrlichem Roots-Rock, entspanntem Pop und schimmerndem Lo-Fi-Elektrosmog. All das wird zusammengehalten und perfekt inszeniert durch Tsitsos´ markante, aber dennoch zurückgenommen und geschickt eingesetzte Vocals. Manchmal kommen die nasal-gepresst im Bob-Dylan-Style, mal kräftig, dann wieder als knarrzige Begleiterscheinung. Und egal wie das Tempo und die Stimmung über die gesamte Spielzeit gewechselt wird, man merkt bei all dem förmlich, wieviel Herzblut und Detailliebe in „17“ steckt - und das nicht nur weil es vom Künstler selbst komplett in Eigenregie produziert wurde: Vielschichtig, melodieschwer und dynamisch-treibend zugleich. Ein starkes Album. Aus Nürnberg.
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