Den Anfang macht Helgi Jonsson, der schon mit den ersten Takten seines Albums "For The Rest Of My Childhood" (Sevenahalf / Broken Silence) offene Türen einrennt. Denn der 30-jährige Isländer greift bei den zehn Songs ganz tief in die Gefühlsschublade - und das gelingt im ganz ohne Kitsch, überzogener Tragik oder Schwermütigkeit. Nein, Jonsson hat ein mindestens genauso melancholisches wie dennoch heimeliges Meisterwerk geschaffen - wobei ich wirklich nicht weiß, wie die Leute da oben im unterkühlten Island ticken, aber wenn Alben wie "For The Rest Of My Childhood" dabei herauskommen, kann es so schlecht da nicht sein. Oder man muss wissen, wie man damit umgeht. Und genau das macht Jonsson: Er komponiert Lyrics, Melodien und Gefühle zu einem packenden Soundtrack der bevorstehenden kalten Jahreszeit. Und warum nicht? Warum sollte er auch all die Emotionen mit sich herumschleppen wenn sie derartig liebevoll verpackt in zurückgefahrenem Sounds und betörender Instrumentierung verpackt der Welt mitteilt. Und sich wohl dabei selber kuriert. Und den Hörer ähnlich wie Damien Rice verzaubert.
Ähnlich gefühlvoll, aber dennoch komplett anders schaffen es I Might Be Wrong die stille Jahreszeit effektvoll zu begleiten. Anders als Jonsson bedient sich die Berliner Band auf "Circle The Yes" (Sinnbusrecords / Alive) aber auch elektronischer Hilfsmittel - und begeistert vor allem durch den spannungsgeladenen Sound und den bitterschönen Vocals von Sängerin Lisa von Billerbeck. Leise knisternd, langsam wabernd, mal tempoaufnehmend, mal ausbremsend: So spannt "Circle The Yes" einen sehnsuchtsgetriebenen aber niemals traurigen Bogen zwischen aufblitzender Spielfreude und zurückgezogener Melancholie. Und all das garniert mit unaufgeregten Vocals und gemäßigtem Elektronik-Einsatz. Einfach schön und genau das richtige für all die Wärmesuchenden - auf dem Sofa, unter der Decke, mit bollernder Heizung und bei schwerem Rotwein. Da wird sogar der nass-graue Herbst zur schönen Jahreszeit.
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